Führung und Freundschaft – ein Überblick

Oben wird die Luft dünn? Je höher, desto einsamer? Oft gehört: „Manager haben keine privaten Freunde.“ „Und sie sprechen auch nicht darüber.“

Irrtum. Beide Aussagen sind falsch.

Fast 100 Führungskräfte berichteten ausführlich über ihre Freund­schaften. Das Ergebnis ist ein ein­drucksvoller Beleg: Beruf­li­ches Engagement muss nicht auf Kosten privater Beziehungen gehen. Nur drei Gesprächspartner sag­ten, sie hätten keine Freunde.

Was ist Freundschaft für Sie? Beschreibungen differieren

Subjektive Defini­tionen von Freundschaft beinhalten meist Komponenten wie Aus­tausch und zu­verlässige Unterstützung, Gemeinsamkeiten, gutes Gefühl. Aber auch „gesunde Distanz“ werden erwähnt.

Stati­sti­sche Methoden vermögen nicht zu identi­fizieren, was Freundschaft „wirklich“ ist. Der Möglichkeiten sind viele; anders als beispielsweise für die Ehe gibt es weder gesetzliche Grundlagen noch soziale Kontrollen. Wir können und müssen über Gestaltung und Pflege unserer Be­zie­hungs­geflechte selbst entscheiden. Davon hängt ab, was sie leisten können.

Idealisierte und unrealistische Vorstellungen sehr verbreitet

Gemeinsam durch dick und dünn, Freunde bis ans Lebensende – Freundschaften werden oft idealisiert. Klischeevorstellungen aus TV, Dramen und Romanen sind allzu präsent.

Gemessen an der Realität werden Erwartungen oder Definitionen oft zur Hülle ohne Handlungen. Offenheit und Kritik wird unter Freunden gelobt – und gleichzeitig gibt es etliche Tabu-Themen. Wer glaubt, „echte Freund­schaf­ten halten für immer“, wird möglicherweise im Rückblick einer solchen Be­ziehung den Status Freundschaft entziehen: „Das war keine echte Freundschaft.“ Weil sie endete.

Freunde kann man auch im Beruf finden!

Freundschaften müssen in jun­gen Jahren entstehen? Irrtum. Zwar berichten mehr als 80% der Ge­sprächspartner über alte Kontakte aus Kindheit, Jugend-, Schul-, Ausbil­dungs- oder Studienzeit, aber auch 75% über Freundschaften, die durch den Beruf entstanden. Die Chance, „on the job“ interes­sante Men­schen kennenzulernen, ist groß und kann durchaus zur Initiative ermuntern.

Zeitnot – ein überschätztes Problem

Dieser Termindruck! Zeitnot wird häufig als belastendes Moment für Freundschaften angege­ben. Ein Zusammenhang zwischen der wöchentlichen Arbeitszeit und der Kontakthäufigkeit mit Freunden ist jedoch nicht nachweisbar. Für das Ende von Freundschaften scheint vielmehr die Verschiebung von Prioritäten – Vernachlässigung? – verantwortlich zu sein.

Freundschaften leisten viel, aber nicht alles

Freunde bieten soziale Unterstützung. Gespräche, praktische Hilfe, Präsenz und Mut machen. „Im Notfall werden sich die besten Freunde im Notfall um meine Kinder kümmern“ – welche Beru­hi­gung liegt in sol­cher Gewissheit!
Vor zu viel Optimismus sei jedoch gewarnt: „Hilfe hat noch nie gefehlt“ sagen oft diejenigen Perso­nen, die noch kaum über gravie­rende Erlebnisse zu berichten wissen. Jeder Zweite nennt Situatio­nen, in denen Unterstützung ausblieb.
Die Gründe: zumeist als „unlösbar“ eingeschätzte Pro­bleme. An zweiter Stelle jedoch wird bereits „Hilfe nicht er­fragt“ oder „nicht angenommen“ genannt.
Alleinlebende klagten deutlich mehr über fehlende Hilfe. Wenn Krisen in der Partnerschaft (Konflikte und Trennungen) auftreten, kann Freundschaft schnell an Grenzen stoßen. Hilfe scheitert an Überforderung der Freunde, fehlendem Verständnis oder überhöhten Erwartungen.

Beruf, Partnerschaft/Familie und Freundschaft: Es gibt förderliche und hemmende Zusammenhänge

Meist werden Partnerschaft/Familie und Freundschaft generell als förder­lich angesehen, Beruf hingegen als belastend für das Privatleben.
Kehrseite: Es wurden auch viele positi­ve Einflüsse genannt. Der Beruf sichert den Lebensstan­dard, bietet Möglichkeit zu interessanten Kontakten und vielseiti­gen Themen – die auch dem Privatleben zuträglich sind.
Freunde können im Beruf hilfreiche Beiträge zu leisten, stellen jedoch unter Umständen auch eine Belastung oder gar Gefahr dar. Interessenkollision, Vorwürfe der Kumpanei, Missbrauch von Vertrauen oder Neid und Ärger drohen. Dies wurde von einem Drittel der Befragten er­wähnt.
Ob sich die Lebensbereiche miteinander vereinbaren lassen oder nicht, darüber gehen die Meinungen auseinander: 40% der Ge­sprächspartner glauben, Vereinbarkeit sei möglich. 30% antworteten, sie sei zumindest schwer oder aber gar nicht möglich. Immerhin 25% strebten jedoch bewusst eine Trennung zwischen Berufs- und Privatleben an.

Geschlechtseffekte kaum vorhanden

Unbestätigt bleibt, dass Frauenfreundschaften emotionaler und offener seien als die der Männer. Wenn Konkur­renzgefühle und Eifersucht ausschließlich von Frauen er­wähnt wurden, kann dies ein Effekt unterschiedlichen Auskunftsverhaltens sein. Tragen Männer diese Gefühle direkt (oder auf der Autobahn) aus, ohne sich darüber zu unterhalten?
Für Männer sind gemeinsame Aktivitäten wichtiger als für Frauen, was je­doch nicht mit der Art oder Anzahl von Gesprächs- oder Tabuthemen zu­sammenhängt.

Im Alter reduzierte Vielfalt – bei gleicher Qualität

Unterstützung ist nicht abhängig vom Le­bensalter. Jedoch verringert sich die Vielfalt gemeinsamer Aktivitäten. Unklar bleibt, ob es sich hier um ein Erkal­ten der Beziehung han­delt, oder ob ältere Personen sich eher auf die für sie wichtigen Dinge konzentrie­ren.

Zufriedenheit und Veränderungsbedarf

Mehr als die Hälfte der Befragten sagen, sie seien mit ihren Freundschaf­ten zu­frieden: insbesondere Personen, die keine Tabuthemen innerhalb der Freundschaften haben und die häufig über persönliche Stär­ken und Schwächen sprechen.
Ebenfalls mehr als die Hälfte der Personen sieht hingegen auch Verbesserungsmöglichkeiten – die selten in die Tat umgesetzt werden, auch wenn die Ideen praktikabel sind: bessere Ausnutzung gemeinsamer Zeit, Intensivierung bestehender Kontakte und der Aufbau neuer Freundschaf­ten. Woran mag es scheitern, fehlen gar Skills oder Mut?
Praktische, mitunter simpel anmutende Äußerungen könnten die Phantasie beflü­geln: die Absicht, einfach mal anzurufen; der Gedanke, während lan­ger Autofahrten zu telefonieren, neue The­men probeweise anzusprechen – oder auch unbefriedigende Kontakte auf­zugeben.

Vertiefende Diskussion?

Die individuelle Pflege von Freund­schaften bleibt Sache der Beteiligten.
Dazu leiste ich gerne weitere Beiträge – ich freue mich über Ihre Rückmeldungen und Fragen!