Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

„Sexuelle Belästigung? Gibt es bei uns nicht.“ – „Kann es sein, dass Männer zu Unrecht beschuldigt werden, um ihnen zu schaden?“ – „Ich würde dem gleich die Nase brechen!“ – „Bei uns war’s der Chef selbst.“ – „Manchmal belästigen Frauen.“ – „Es trifft auch Starke.“

Erschreckende Beispiele

Das Thema ist nicht mehr so tabuisiert wie vor Jahren, doch längst nicht genügend offen kommuniziert. Sprechen Sie darüber, dann werden Sie Berichte, Sprüche, Vorurteile, Stereotype, Unfug hören.

Seltener – und meist nur auf gezieltes Nachfragen hin – werden gute Beispiele beschrieben. Begebenheiten, in deren Verlauf sauber und professionell reagiert wurde.

Fakt ist: Sexuelle Belästigung geschieht, auch am Arbeits- oder  Studienplatz.

Ihre Erfahrungen, Meinungen, Diskussionsbeiträge

Wenn auch Sie Beispiele erlebt haben: Für diesen Text ist die Kommentar-Funktion eingeschaltet, am Ende unten finden Sie die Einträge. Gerne unter Pseudonym.

Sexuelle Belästigung unterbinden!früh stoppen!

Oft – keineswegs ausschließlich – werden Menschen sexuell belästigt, die es schwer haben, sich wirksam zu wehren und ihre Interessen zu vertreten. Vielleicht, weil sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben, zu Minderheiten gehören, sich nicht gut ausdrücken können. Oder weil sie einfach anders sind. Manchmal verschlägt’s auch einfach die Sprache. Schützen wir die Unterlegenen, schützen wir die Betroffenen!

Wer belästigt, wähnt sich häufig in überlegener Position. Oder will genau diese Überlegenheit herstellen. Dann sind wir bei einem Macht-Thema. Herabsetzung ist durchaus gewollt und wirkt i.d.R. schwächend. Dies toxische Verhalten muss ein Ende haben.

Oft fehlt es schlicht an Wissen

Ignoranz, schräge Einstellungen, Missverständnisse und Befürchtungen

Ob Sie selbst betroffen sind, ob Sie als Führungskraft, als Arbeitnehmervertretung agieren oder die Beschwerdestelle innehaben: In welcher Rolle Sie sich auch befinden, Sie werden mit Aussagen konfrontiert, die solider Antworten bedürfen. „Darf ich jetzt nicht mehr flirten?“ ist in dieser Sicht noch erfreulich arg- und harmlos (und leicht zu beantworten).


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Was ist Sexuelle Belästigung?

Das ist leider noch weitgehend unbekannt, obwohl das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) klar definiert, was darunter fällt. Detaillierte Ausführungen finden Sie hier:  Leitfaden und Infos der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Viele Menschen wissen nicht, dass bereits anzügliche Bemerkungen, Späße, Blicke, Fragen am Arbeitsplatz schlicht verboten sind und dass auch zufällige Berührungen oder Hinterherpfeifen geahndet werden. Dies gilt auch für E-Mails, SMS oder andere Messages, Fotos etc.

Manche sind (oder geben sich) überrascht, wenn sie erfahren, dass dabei das Empfinden der Belästigten ausschlaggebend ist und nicht etwa eine Absicht.

Die Folgen sexueller Belästigung

Betroffene fühlen sich mies, beklemmt, abgewertet. Sie leiden häufig unter Angst, Scham, Schuld. Sie werden krank, psychisch und physisch. Oft verlassen die Belästigten den Ort des Geschehens, den Arbeitsplatz. Oder werfen ihr Studium hin. Spätestens jetzt sollte klar sein: Um ein Kavaliersdelikt, eine Nebensächlichkeit, etwas irgendwie harmlos Geartetes geht es hier keinesfalls.

Dass dies auch Konsequenzen für Unternehmen hat, liegt auf der Hand. Motivation, Zusammenarbeit, Leistung und Ergebnisse bleiben schlecht. Das Ansehen als Arbeitgeber (oder Hochschule) wird erheblich beeinträchtigt.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist nicht das Problem zwischen zwei Menschen, es ist ein Problem des Arbeitgebers. Meine Hoffnung lautet: Auf Dauer kann sich niemand mehr leisten, hier zu schludern.

Pflicht der Arbeitgeber und somit Führungsaufgabe

Was vielen ebenfalls unbekannt ist: Arbeitgeber stehen in der Pflicht. Es gibt ein Recht auf Arbeitsplatz ohne Belästigung, Arbeitgebern obliegt,  dies zu gewährleisten, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu unterbinden und im Fall des Auftretens zu ahnden.

Dazu gelten klare Vorschriften: Es muss eine Beschwerdestelle eingerichtet werden, klare Regeln und Abläufe sind zu sichern. Jeder Beschwerde muss nachgegangen werden. Geschieht dies nicht, macht sich der Arbeitgeber strafbar.

Zahlreiche Unternehmen, Organisationen, Hochschulen und auch spezielle Branchen nehmen sich des Themas an und publizieren, wie sie sexuelle Belästigung unterbinden bzw. ahnden. Das macht Mut und gibt Beispiele: So können wir das auch handhaben!

Das Ahnden ist anspruchsvoll. Führungskräfte oder Beschwerdestellen sind weder Polizei noch Richter:innen. Herausforderungen ergeben sich auch daraus, dass Belästigte anonym bleiben dürfen, wenn Beschuldigte auf ihr Verhalten angesprochen werden.

Landen Vorwürfe der sexuellen Belästigung vor Gericht, gilt es, die Angemessenheit der Sanktionen abzuwägen, dann stehen AGG und KschG (Kündigungsschutzgesetz) und auch andere Gesetze gegeneinander

Gespräche mit Betroffenen

Sind Sie in der Rolle der Führungskraft, der Gleichstellungsbeauftragten, der Arbeitnehmervertretung oder Beschwerdestelle, dann sollten Sie auf darauf vorbereitet sein: Sie werden (hoffentlich) angesprochen. Möchten Menschen, die sich belästigt fühlen, mit Ihnen sprechen, so ist dies ein großer Vertrauensbeweis. Gerecht werden Sie dem nur durch Kompetenz, Klarheit, Empathie und viel Selbstreflexion.

Unabdingbar: Interesse am Menschen und dessen Wohlergehen, profunde Vorbereitung, saubere Durchführung, gemeinsam vereinbarte Dokumentation der Gespräche und abgewogene Absprachen über die nun folgenden Schritte.

All das ist erlernbar, nichts davon ist banal.

Arbeit mit Beschuldigten

Im Umfeld von Gewalttaten heißt es, die Arbeit mit Tätern sei auch Arbeit für die Opfer. In unserem Kontext hier dürfte dies ebenfalls gelten: Auch (potenzielle) Belästigende und Beschuldigte brauchen Klartext, aber eben auch Informationen, Aufklärung, deutliche Sprache über Definitionen und Sanktionen. Und die klare Ansage, dass keinerlei sexuelle Belästigung geduldet wird.

Niemand darf sich noch damit herauswinden können, nicht Bescheid gewusst zu haben. Und niemand darf unangesprochen bleiben, wenn eine Beschwerde wegen sexueller Belästigung vorliegt.

Auch diese Gespräche sind höchst anspruchsvoll. Vor-Verurteilung darf nicht stattfinden, Vertuschung und Verharmlosung erst recht nicht.

Ohne Prävention wird das nichts

Im besten Fall in Form kommt es gar nicht zu solchen Vorkommnissen, weil Prävention wirkt: Arbeitgeber führen Pflichtveranstaltungen für die gesamte Belegschaft durch, sorgen für klare organisatorische Abläufe, schulen alle in Gesprächsführung und Konflikttransformation.

Hochschulen bieten dies zusätzlich auch für alle Studierenden. Dabei werden Denkmuster, Stereotype, Kulturunterschiede beleuchtet, aber eben auch Handlungsoptionen gezeigt, die tragfähige Beziehungen fördern.

Möglicherweise sind nicht nur Gespräche, sondern Verhaltenstrainings angesagt. Wenn „jemand es halt nicht anders gelernt hat“, dann ist doch nun Gelegenheit dazu – und höchste Zeit.

Wenn jedoch nicht Unsicherheit, sondern Absicht zugrunde liegt, wenn Schwächung und Schädigung von Betroffenen in Kauf genommen oder gar bezweckt werden, dann gilt es, klar und konsequent zu handeln.

Was, wenn Chefs belästigen?

Auch wer sich sehr selbstsicher gibt „mir kann hier überhaupt nichts passieren“, ist nicht vor Sanktionen gefeit. Das klar geführte Gespräch durch Ranghöhere und/oder Beschwerdestelle, die eindeutige Botschaft „das dulden wir hier nicht, sexuelle Belästigung hat Folgen“ muss seine Wirkung tun.

Selbst betroffen? Bescheid wissen, stoppen, Hilfe holen, Prophylaxe

Simpel mutet an, was doch so relevant ist: Über sexuelle Belästigung informiert sein hilft. Wer sehr genau weiß, dass soeben ein Gesetzesverstoß stattfindet, aktiviert bereits so andere Denkmuster.

Das eigene Verhalten kann trainiert werden, selbstsichere Reaktionen sind ebenfalls Übungssache. Ob es um verbale Antworten oder wirkungsvolle Verhaltensweisen geht.

Für Bedrohungen wichtig sind Methoden, sich zu schützen und zu wehren.

früh stoppenFrüh reagieren

Entscheidungsträger und Personen in Beschwerdestellen berichten, dass die weitaus meisten Fälle nicht vor Gericht entschieden, sondern weit früher bearbeitet und geklärt werden. Damit dies gelingen kann, sind oft frühes Handeln, Agieren und Reagieren unabdingbar: Prävention einerseits, saubere Reaktionen im Auftretensfall andererseits.

Auch damit sind alle Akteure und Betroffenen gefordert. Darauf zu vertrauen, dass schon nix passiere oder im Ernstfall intuitiv das Richtige getan wird, ist schädlich und naiv.

Sexuelle Belästigung gibt es auch am Studienplatz

Auch an Hochschulen wird von Vorkommnissen berichtet. Weil das AGG nur für angestellt Beschäftigte gilt, gehen Hochschulen darüber hinaus und stellen sicher, dass auch alle Studierenden geschützt werden. Durch Dienstvereinbarungen, Hausordnung, Beschwerdestellen, Info-Veranstaltungen, Workshops für potenziell Betroffene, Führungskräfte, Ansprechpartner in den Beschwerdestellen, Öffentlichkeitsarbeit etc.

Das können alle beitragen: Decide to help!

Sexuelle Belästigung gedeiht im Verborgenen, Betroffene schämen sich, halten sich selbst für schuldig, haben Angst vor schädlichen Konsequenzen. Auch deshalb ist Hilfe so wichtig. Alle können etwas tun, um die Missstände abzustellen.

Andere werden belästigt? Bieten Sie Unterstützung an. Gemeint ist Courage, ohne selbst in Gefahr zu geraten. Das kann ganz einfach sein: Bekunden Sie „Ich habe es auch gehört.“ Im Büro: „Ich kann und werde bezeugen, was ich gerade mitbekommen habe.“ In der U-Bahn-Station nachts können Sie in angemessener Nähe stehen und signalisieren: „Du bist nicht allein.“

Die eigene Nase: Kenne Dich selbst!

Nun neigen wir Menschen ja dazu, schnell mit dem Finger auf andere zu deuten. Das ist dumm. Klüger ist, sich selbst gut zu kennen und die eigenen Muster kritisch zu beleuchten.

Ich selbst… wann
• neige ich dazu, jemandem zu glauben?
• werde ich misstrauisch und mutmaße „frei erfunden!
• finde ich „Selbst schuld – wer sich so anzieht oder benimmt!
• denke ich: „Das ist doch normal, das ist Evolution und Biologie.
• verdächtige ich?
• verurteile ich?
• rede ich mich raus: „Ich war halt verliebt.
• lache ich über welche Witze?
• habe ich Grenzen überschritten?

Wie finden Sie das?

Der Consultant in seinem Büro, die Sekretärin kommt hinzu. Es ist Sommer, sie trägt einen schwarzen Rock, setzt sich auf die Fensterbank, ein Bein angewinkelt auf dieselbe, das andere auf den Boden. Er: „Gehen Sie heute noch schwimmen?“ Sie: „Wieso?“ Er: „Den Badeanzug haben Sie ja schon an.“ Neonfarben.

Ist das sexuelle Belästigung?
Wer belästigt hier wen?

Ändert sich Ihre Einschätzung, wenn die Beschreibung lautet:
„Der junge Consultant, noch in der Probezeit …“ oder
„sie trägt einen kurzen dunklen Rock“?

Eine Managerin, im gesamten Team als „touchy“ beschrieben, reicht Beschwerde gegen einen männlichen Mitbewerber auf die nächsthöhere Position ein. Jemand sagt: „Wo Rauch ist, ist auch Feuer!“ Andere glauben, der Vorwurf sei frei erfunden. Die Beschwerde spricht sich herum. Der Kollege mit Karriereambitionen verlässt nach einiger Zeit das Unternehmen. Sie schafft den Karrieresprung.

Was meinen Sie dazu?
Wie reagieren Sie als Führungskraft, wenn Ihnen solche Situationen zugetragen werden?

Fazit: informieren, befähigen, ermutigen und handeln!

Entschlossenes und geschlossenes Vorgehen gegen diese Vergehen sind angesagt, längst überfällig und zeigen Wirkung, wenn gut gemacht.

Ich kann und werde Sie gerne dabei unterstützen.

6 Gedanken zu „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“

  1. Puh, die Situation mit dem Rock finde ich schwierig. Der „Witz“ der oben gemacht wird würde mir nicht über die Lippen kommen. Angenommen eine Kollegin setzt sich mir gegenüber so auf eine Fensterbank, dass neonfarbene Unterwäsche unter dem Rock offen zum Vorschein kommt, dann wäre mir das sehr unangenehm und ich wüsste nicht wie ich damit umgehen soll. Alleine die Frage ob und wie man das thematisieren dürfe oder sollte wird schnell sehr komplex, egal ob es sich um Absicht oder ein Versehen handelt.

    1. Ich habe mal zu einer Frau gesagt: „Ich kann mich nicht konzentrieren. Setzt du dich bitte anders hin?“ Sie sah mich ganz erstaunt an und folgte dieser Bitte.

  2. Ich möchte gerne ein paar Sprüche teilen, die mir einfallen. Manche können eine weitere Korrespondenz und somit den Anschluss an eine Mitarbeit einfach, schnell und langanhaltend beenden.
    Da sollte man wirklich den Spieß einmal umdrehen.
    Von Männern:
    „Ich bin auch interessiert, aber nicht an Ihnen.“
    „Ich kann Ihnen versichern, dass das Kind der gekündigten Kollegin, nicht von mir ist.“
    „Wer während der Ausbildung schwanger wird, ist zu dumm für die Ausbildung.“
    „Du bist so hübsch. Lach doch mal. Hast du Komplexe?“
    „Meine Zimmernummer ist…“

    Ich finde es notwendig dafür zu sensibilisieren, dass Mitstreiter auch verbal ermächtigt werden beizustehen. Denn das ist was ich zu hören bekommen habe, wenn ich nach Beistand gefragt habe:
    „Du bist zu empfindlich.“
    „Du solltest in einer kleineren Firma arbeiten“
    „Du hast ja keine Ahnung wie es läuft.“
    „Das ist in dieser Kultur halt so.“
    „Eine Beschwerde bringt ja eh nichts.“
    „Männer können Niederlagen schneller vergessen.“
    Es wurde also hauptsächlich pauschalisiert und auf das Machtverhältnis? reduziert? Und auf einmal hatte man dann keine Freundinnen mehr unter den Kolleginnen. Wer still hält, kommt auch weiter. Kann ich bestätigen.

    Noch schlimmer empfand ich allerdings die Versuche zu fördern. Darüber wird gar nicht gesprochen. Ich meine dieses unterwürfige zuflüstern oder zustimmen. In Situationen die diskriminierend sind. Nicht unbedingt sexueller Art aber eindeutig bei Ausnutzung der Macht.
    „Machen sie weiter.“
    „Machen sie sich nichts draus.“
    „Die Besten werden gekündigt.“
    „Stimmt’s? Man lässt sie nichts anfassen.“
    Damit wird man dann völlig alleine gelassen. Obwohl ja eindeutig bestätigt.

    Sexistische Witze den ganzen Tag im Büro.
    Angefasst werden auf Kongressen.

    Man muss es laut und sofort verbieten. So dass andere es mitbekommen und hoffentlich dann jemand dabei ist der ein/e aufgeklärte/r Entscheidungsträger/ in ist?

    Hintenrum kündigen reicht da nicht, finde ich und habe es auch schon erlebt. Es müsste ein offizieller Kündigungsgrund werden und eines dieser Zeugnissätze sollte es verkünden. Da gibt es ja die Möglichkeit. „War immer aufgeschlossen und kontaktfreudig“…
    Wird dann aber in Firmen angestellt die diese Eigenschaft fördern!?

    Danke für das sensibilisieren!

  3. Ja, Beispiele dieser Art zeigen, was im Argen liegt.

    Wir können etwas tun: fit machen, Mut machen, Position beziehen, gegenseitig unterstützen. Das müssen wir nur entscheiden: Decide to help!

    Gilt für alle: Betroffene, Akteure, Führungskräfte, Beschwerdestellen, AN-Vertretung, Kollegium, zufällig Anwesende…

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